MIRA, eine hundertprozentige Tochter der Rheinmetall AG, verfolgt mit der Teleoperation eine Strategie, um die Mobilität der Zukunft zu revolutionieren. „Wir haben frühzeitig erkannt, dass die bestehenden Hindernisse, wie unklare Rechtsrahmen und technische Komplexitäten, kurzfristig nicht überwunden werden können“, erklärt Andreas Korwes, Head of Operations und Marketing bei MIRA. „Insbesondere die ‘Edge Cases’, also seltene, aber herausfordernde Verkehrssituationen, sind derzeit für autonome Systeme schwer lösbar. Dazu gehören zum Beispiel gesperrte Straßen oder liegengebliebene Fahrzeuge, die ein autonomes Fahrzeug ohne menschliches Eingreifen nicht bewältigen kann. Hinzu kommen Hard- oder Software-Probleme, die ebenfalls menschliche Interaktion erfordern. Hier setzt MIRA mit der Teleoperation an.“
Ferngesteuerte Fahrzeuge
Teleoperation bezeichnet die Fernsteuerung eines Fahrzeugs durch einen Menschen. Dies wird über spezielle Fahrstände realisiert, die räumlich vom Fahrzeug getrennt sind. Dort sitzt der Teleoperator vor großen Monitoren, die alle Sichtfelder rund um das Fahrzeug zeigen. Er kann sämtliche primären Fahrfunktionen wie Gas, Bremse und Lenkung sowie sekundäre Funktionen wie Blinker, Hupe oder Scheibenwischer aus der Ferne steuern. Die Hardware für die Fernlenkung im Fahrzeug besteht im Wesentlichen aus hochauflösenden Kameras und einer On Board Unit, die über Mobilfunk den sicheren Zugriff auf alle notwendigen Fahrfunktionen ermöglicht. Dank einer stabilen und sicheren Datenübertragung über 5G-Netze ist es schon heute möglich, Fahrzeuge über weite Strecken zuverlässig fernzusteuern. „Wir haben kürzlich ein Fahrzeug auf einer Messe in Hamburg ferngesteuert, während es in Düsseldorf unterwegs war – eine Strecke von etwa 400 Kilometern“, berichtet Korwes.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Technologie ist das sogenannte Drive-by-Wire-System, das eine Fernsteuerung der Fahrzeugkomponenten ermöglicht. Diese Technologie, ursprünglich für Menschen mit körperlichen Einschränkungen entwickelt, wird mit Kameras und Kommunikationssystemen kombiniert, um die Fernsteuerung sicher und präzise zu machen.
Fokus auf Personennahverkehr und Logistikbranche
Von den teleoperierten Fahrzeugen könnte unter anderem die Logistikbranche profitieren. In der Automobilproduktion müssen beispielsweise Bauteile oft Just-in-Time und Just-in-Sequence direkt ans Fließband geliefert werden. Fahrer verbringen dabei häufig über 60 % ihrer Arbeitszeit mit Warten, was hohe Ineffizienten mit sich bringt. Mit der Teleoperation könnten diese Wartezeiten deutlich reduziert werden, da ein Teleoperator flexibel mehrere Fahrzeuge nacheinander steuern kann. Korwes: „So könnte ein Fahrzeug, das seine Ladung abgeliefert hat, sofort für den nächsten Einsatz ferngesteuert werden, ohne dass ein Fahrer vor Ort sein muss.“
Ein weiterer vielversprechender Anwendungsbereich ist der innerstädtische Personenverkehr. Gemeinsam mit der Deutschen Telekom hat MIRA in Bonn ein Shuttle eingeführt, das Teleoperation nutzt, um Mitarbeiter zwischen Unternehmensstandorten und öffentlichen Verkehrsknotenpunkten zu transportieren. Diese Fahrten finden auf öffentlichen Straßen statt und erfordern detaillierte Genehmigungen durch Behörden. Langfristig könnten solche Lösungen den städtischen Verkehr effizienter und flexibler gestalten.
Darüber hinaus sieht MIRA Potenzial für den Einsatz auf Autobahnen. Hier könnten Teleoperatoren Fahrzeuge auf die Autobahn steuern, von wo aus diese dann automatisiert längere Strecken zurücklegen, bevor sie wieder vom Teleoperator am Zielort übernommen werden. Dieser hybride Ansatz würde die Stärken der Teleoperation und des autonomen Fahrens kombinieren und eine flexible Automatisierung ermöglichen.
Latenzfreie Datenübertragung notwendig
Essenziell für die Technologie ist eine stabile und nahezu latenzfreie Datenübertragung, um eine sichere Steuerung zu gewährleisten. MIRA arbeitet eng mit Behörden und Partnern zusammen, um sowohl technische als auch regulatorische Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln.
Aktuell gehören sechs Fahrzeuge zur MIRA-Flotte, die vom TÜV und den zuständigen Behörden geprüft und für die Teleoperation freigegeben sind. Auf der XPONENTIAL Europe werden zwei davon im Einsatz sein, um interessierte Besucher vom Messegelände in die Düsseldorfer Altstadt zu chauffieren. Ein Sicherheitsfahrer ist allerdings aus regulatorischen Gründen noch mit an Bord.
Autorin: Sonja Buske