Bei Verkehrsunfällen oder Großbränden zählt jede Sekunde, doch oft dauert es viel zu lange, bis Rettungskräfte sich einen Überblick über die Lage verschaffen können. Vollständig autonome, KI-gestützte Drohnensysteme hingegen sind innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit und können Ersthelfer mit wichtigen Informationen versorgen.
Wenn beispielsweise nach einem Unfall ein Notruf in einer Leitstelle eingeht, ist die Lage zunächst oft unklar. Wie viele Menschen sind verletzt, besteht Explosionsgefahr, wird jemand vermisst? „Die Leitstellen wissen oft nicht, wie gefährlich die Situation ist oder welche Rettungskräfte benötigt werden. Sie schicken in der Regel die nächsten verfügbaren Einheiten los – und warten dann auf deren erste Rückmeldung“, sagt Patrique Zaman, Gründer von Avy.
Hier setzt das niederländische Unternehmen mit einem neuen Ansatz an: Drohnen, die automatisch alarmiert, gestartet und gesteuert werden – ohne menschliches Zutun. Sobald ein Notruf eingeht, übermittelt die Software den Standort des Anrufers an die Leitstelle. Über eine API-Schnittstelle zur Avy-Plattform genügt ein Klick, um das System zu aktivieren. „Unsere Algorithmen berechnen sofort, wo sich die nächste verfügbare Drohne befindet – voll aufgeladen und flugbereit“, erklärt Zaman.
Start innerhalb von zehn Sekunden
Die Stationen überprüfen die Wetterdaten, laden die Drohnen auf und starten selbstständig. Eine zentrale Leitstelle überwacht mehrere Flüge gleichzeitig und greift nur bei Bedarf ein – ansonsten läuft alles autonom. Innerhalb von zehn Sekunden hebt die Drohne senkrecht ab, beschleunigt auf weit über 150 km/h und fliegt direkt zum Einsatzort – unter Umgehung von Flugverbotszonen oder anderem Flugverkehr. Vor Ort liefert die Drohne hochauflösende Video- und Wärmebilder in Echtzeit. Die Einsatzzentrale kann diese direkt an alle relevanten Personen weiterleiten, während Feuerwehr, Polizei oder Notärzte noch unterwegs sind. Zaman: „Das verschafft den Teams vor Ort einen enormen Vorsprung – sie wissen bereits, was sie erwartet.“
Die Drohnen von Avy sind mit modernster KI für die Bildanalyse ausgestattet: Sie erkennen Personen, analysieren Vitalparameter und identifizieren Brände, explosive Gase oder gefährliche Substanzen – alles autonom. Besonders innovativ ist die sprachgesteuerte Interaktion mit dem System: Einsatzleiter können per Sprache konkrete Befehle erteilen, beispielsweise ein bestimmtes Fahrzeug verfolgen oder einen Bereich genauer untersuchen.
Präventive Flüge
Die Drohnen werden jedoch nicht nur in akuten Notfällen eingesetzt, sondern auch zu präventiven Zwecken. Sie fliegen regelmäßig Kontrollrouten in Häfen wie Rotterdam und überwachen potenzielle Brandherde in Nationalparks in Österreich und Belgien. Insbesondere an warmen Tagen analysiert die KI winzige Rauchentwicklungen über Entfernungen von bis zu acht Kilometern – lange bevor ein Mensch sie erkennen könnte.
Vision für die Zukunft
Zaman hat eine Vision für die Zukunft: ein flächendeckendes Netz autonomer Drohnenstationen in ganz Westeuropa. Avy arbeitet bereits an neuen Technologien wie wasserstoffbasierten Antriebssystemen für größere Reichweiten.
Autorin: Sonja Buske