- Bei der AHEAD-Projektdemonstration am 25. Juni 2024 wurde ein SHERP-Geländefahrzeug durch unwegsames Terrain und einen See teilautonom ferngesteuert.
- Im Projekt AHEAD entwickelt das DLR mit Partnern Technologien für humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe. Mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) und dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) erprobten die Forschenden in Nordheim am Main zwei Einsatzszenarien.
- Schwerpunkte: Humanitäre Hilfe, Katastrophenhilfe, Erdbeobachtung, Raumfahrt
In einer Live-Demonstration am 25. Juni 2024 führte das Projekt AHEAD (Autonomous Humanitarian Emergency Aid Devices) Hochtechnologien für die humanitäre Hilfe und den Katastrophenschutz vor. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt mit Partnern gemeinsam Technologien und Fähigkeiten für ferngesteuerte fahrerlose Transportfahrzeuge, die schwer zugängliche Gebiete erschließen. Die Offroad-Fahrzeuge erreichen Orte, die für Boote oder Straßenfahrzeuge zu unwegsam oder für Menschen zu gefährlich sind. Ziel ist es, humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe dort zu unterstützen, wo Einsatzkräfte nicht mehr alleine weiterkommen.
Anwender und Entscheidende mit „im Boot“
In besonderer Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) und dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK) spielte das AHEAD-Team zwei realitätsnahe Szenarien durch: eine Lieferung von Lebensmitteln, angelehnt an aktuelle Einsätze im Süd-Sudan, sowie ein Hilfs- und Rettungseinsatz bei einer Hochwasser-Situation, ähnlich wie im Ahrtal 2021 und zuletzt in Süddeutschland. Für das Hochwasserszenario waren diverse Spezialeinheiten des BRK mit über 20 Einsatzkräften beteiligt.
Das Übungsgelände der Bundeswehr in Nordheim am Main bot dem Projektteam ideale Bedingungen – weitläufiges, unwegsames und dicht bewachsenes Terrain, einschließlich eines Sees mit Steilufer. Zum ersten Mal stellte dort das teilautonom ferngesteuerte „SHERP“-Fahrzeug seine Schwimmfähigkeit unter Beweis. SHERPs sind besonders geländegängig und werden vom WFP bereits für Hilfslieferungen genutzt, allerdings noch herkömmlich mit Fahrern am Steuer. Da sich die Fahrenden dabei großen Gefahren aussetzen, etwa durch krankheitsübertragende Insekten, Epidemie oder Landminen, sollen die SHERP-Trucks künftig telerobotisch aus der Ferne steuerbar sein.
„Die AHEAD-Demo zur Validierung unserer Technologien ist sehr komplex, da verschiedene Teams und technische Komponenten ineinandergreifen müssen. Wir sind sehr froh und stolz, nach vier Jahren Forschung das SHERP-Fahrzeug erfolgreich teleoperiert zu haben – durch unwegsames Gelände und erstmals im Wasser. Der starke Teamgeist dabei war eine besondere Erfahrung mich. Alle arbeiten vereint daran, die gewonnen Erkenntnisse in die Anwendung zu bringen und die Forschung dazu voranzutreiben“, fasst Gesamtprojektleiter Dr. Armin Wedler vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik zusammen.
Die Demonstration fand im Rahmen eines dreitägigen Projektworkshops statt. Neben Forschenden, Endnutzenden und Entscheidenden nahm als besonderer Gast Tobias Gotthardt, Bayerischer Staatssekretär für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, teil. Dieser überzeugte sich mit eigenen Augen von den Anwendungsmöglichkeiten der AHEAD-Technologien: „Es ist beeindruckend, was hier von den Projektpartnern unter der Gesamtleitung des DLR geschaffen wurde. Es zeigt sich wieder einmal, wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten von KI, autonomen Fahren und Weltraumtechnologien sind. Es freut mich ganz besonders, dass wir durch die bayerische Förderung von zwei Partnerprojekten einen Beitrag zu Katastrophenschutz und humanitärer Hilfe leisten können. Es ist die Krönung des Dual Use, wenn Weltraumtechnik hilft, unsere Welt ein Stück besser zu machen.“
Global einsatzfähig und reaktionsstark
Damit das spezielle SHERP-Fahrzeug seine Aufgaben erfüllen kann, arbeiten mehrere Betriebseinheiten zusammen. Ein globales Missionskontrollzentrum (GMOC) plant und überwacht die Remote-Truck-Mission, umgesetzt durch das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) des DLR-Earth Observation Center. Um die Umgebung sowie optimale Route zu bestimmen, sammelt das Kontrollzentrum Fernerkundungsdaten und wertet sie aus, wie etwa hochauflösende Satellitenbilder, Luftbilder und Drohnenaufnahmen. Die Ergebnisse erhalten die Einheiten vor Ort als Lagebilder und in einer interaktiven Webanwendung. Bei einem künftigen Betrieb ist das GMOC eine feste Zentrale, die Einsätze auf der ganzen Welt betreuen kann. Für die Demonstration in Nordheim errichtete das Team die Zentrale abgegrenzt auf dem Testgelände, ohne Sicht auf das Geschehen.
Am Einsatzort wird in einem mobilen Container das lokale Missionskontrollzentrum (LMOC) errichtet. Es ist mit dem GMOC verbunden und teleoperiert den Truck. Die Fernsteuerung erfolgt entlang der vorgeplanten Route, unter Berücksichtigung der Live-Daten. Das Fahrzeug ist mit Sensoren und Stereokameras ausgestattet. Es übermittelt laufend seine Position und 360 Grad-Umgebungsdaten. So kann der oder die Steuernde im LMOC Gefahren wie schmale Passagen und unerwartete Hindernisse sicher umfahren.
Feinfühlige Fernsteuerung zu jeder Zeit
Um das Fahrzeug fernzusteuern, sitzt eine Person vor einer Eingabestation mit Funktionen wie Licht, Hupe, einer Gangschaltung und Fußpedalen. Sie kann den SHERP intuitiv führen und dank Kraftrückkopplung spüren wie sich das Fahrzeug im Gelände verhält. Die Telerobotik-Technologien dazu stammen aus der Raumfahrtforschung und werden in AHEAD für die humanitäre Hilfe und Kriseneinsätze auf der Erde weiterentwickelt.
Für den laufenden Datenaustausch sind die beiden Kontrollzentren und das Fahrzeug über mehrere Kommunikationssysteme miteinander verbunden, insbesondere Mobilfunk, Satellitenkommunikation und Breitband-Internet. Das LMOC ist mit dem Fahrzeug zudem per lokalem Funk verbunden. Das DLR-Institut für Kommunikation und Navigation bringt hier seine Expertise ein. Die Forschenden berechneten die Kommunikationsverfügbarkeit für die Routenplanung vorab, um die Kommunikation während der gesamten Mission sicherzustellen. Zusätzliche wurde die robuste und sichere Kommunikation zwischen LMOC und dem Fahrzeug sichergestellt und validiert.
Zusammenarbeit mit Anwendern und Industrie
Mit der erfolgreichen Live-Demonstration erreicht AHEAD einen weiteren wichtigen Schritt zur Einsatzreife der Technologien. Wie Transfers aus der Forschung gelingen, zeigen bereits die beiden DLR-Ausgründungen Sensodrive und Roboception. Sie gehören zu den Industriepartnern im Projekt, die sich auf dem Markt mit ihren Lösungen im Bereich Telerobotik beziehungsweise Wahrnehmung etabliert haben. Für die zielgerichtete Entwicklung ist die Zusammenarbeit mit künftigen Nutzenden wie dem Bayerischen Roten Kreuz und dem WFP unentbehrlich.
„Die heutige erfolgreiche Live-Demonstration des AHEAD-Projekts zeigt eindrucksvoll, wie wir mithilfe von innovativen Technologien humanitäre Einsätze in schwer zugänglichen Gebieten noch effizienter gestalten können. Das Projekt ist ein herausragendes Beispiel für Innovation und ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zu einer Welt ohne Hunger“, erklärt Bernhard Kowatsch, Leiter des WFP Innovation Accelerator.
Das AHEAD-Team zeigte in ihren Testszenarien, dass ad hoc Einsätze bei Naturkatastrophen und akuten Krisenfällen ebenso durchführbar sind wie im Voraus geplante Hilfsmissionen im humanitären Betriebsalltag. Das Projektteam wird die während der Live-Demonstration gesammelten Daten auswerten, um Fähigkeiten auszubauen und Technologien noch effizienter für die Anwendung zu machen.